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Fritz Schaffner im 1. Weltkrieg.
Foto: Privatarchiv Carl Jarburg
Die Großfamilie Judas - vorne links: Gustav, Hilde, Anneliese und Karl Judas.
Foto: Privatarchiv Carl Jarburg

Fritz Schaffner - Retter der Familie Gustav Judas

Fritz Schaffner wurde 1888 als Sohn eines evangelischen Landwirts in Bötzingen am Kaiserstuhl geboren. Dort besuchte er die Volksschule und später die Handelsschule in Freiburg. 1915 heiratete Fritz Schaffner Hildegard Schandelmeyer aus Ihringen-Wasenweiler und zog nach Freiburg um. Nach dem 1. Weltkrieg wurde Fritz Schaffner Schutzmann und wechselte 1926 zur Kriminalpolizei. Sein Vorgesetzter verhinderte 1933, dass er aufgrund seiner früheren Mitgliedschaft in der SPD entlassen wurde. Zeit seines Lebens verband ihn eine enge Freundschaft mit dem jüdischen Gustav Judas, der aus dem benachbarten Ihringen stammte.

Berufsbedingt wusste Fritz Schaffner vorab, dass in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 und danach ein Pogrom an den jüdischen Bürgern stattfinden sollte. Vorausschauend besorgte er seinem Freund Gustav Judas ein Notfallzeugnis bei der Gesundheitsfürsorge, so dass dieser während der Ausschreitungen im Krankenhaus lag und nicht nach Dachau deportiert werden konnte. Auch vor der Deportation aller jüdischen Bürger aus Baden nach Gurs am 22. Oktober 1940 konnte Fritz Schaffner seinen Freund retten, indem ein befreundeter Arzt ein Attest für das Paar ausstellte.

Fritz Schaffner organisierte einen kleinen Helferkreis, um die Familie Judas in der Starkenstraße 39 zu versorgen, wo sie sich im Haus eines entfernten Verwandten, der zuvor in die Schweiz flüchten konnte, monatelang versteckte. Auch die beiden Großmütter Jette Judas und Rosa Regina Bloch lebten in diesem Haus. Da die Familie Judas keine Lebensmittelkarten erhielt, musste Fritz Schaffner für die Familie Lebensmittel organisieren, was in diesen Zeiten nicht ungefährlich war. Ein verwandter Landwirt aus Mengen half und der Junge Karl war der Einzige der Untergetauchten, der mit dem Fahrrad manchmal Lebensmittel besorgen half. Die Familie Judas erhielt im Juni 1941 endlich das ersehnte Visum für Amerika, die Großmütter der Familie Judas erhielten allerdings keine Visa:  Rosa Regina Bloch und Jette Judas starben in Theresienstadt und Auschwitz.

In einem noch zu recherchierenden Zusammenhang wurde die Rettung im Juni 1941 in einem verplombten Güterwagon von Berlin nach Spanien ermöglicht. Fritz Schaffner kaufte die Fahrkarten 1. Klasse für die vierköpfige Familie von Freiburg nach Berlin, die Tochter Anneliese Schaffner brachte die Verpflegung am Tag der Abreise, wobei sie ihr Fahrrad einige Straßen weiter abstellte, um nicht aufzufallen. Die vierköpfige Familie von Gustav Judas konnte so wie ein Wunder unentdeckt nach Berlin reisen, denn eine Zugfahrt war für Juden streng verboten und es wurde streng kontrolliert. Von Berlin gelangten sie mit einem legalen Zug nach Lissabon , wo ein Schiff nach New York wartete. In einem Schreiben erwähnt Carl Jaburg, wie sich Karl Judas in den USA nannte, den Transportleiter Adolf Gill. Dieser war mit einer Jüdin verheiratet und konnte deshalb für den Jüdischen Hilfsverein legal rettende Transporte nach Portugal organisieren in Zusammenarbeit mit einem Mitteleuropäischen Reisebüro. Nach der Wannseekonferenz hörten die legalen Transporte auf und der Jüdische Hilfsverein stellte als das „kleinere Übel“ die Listen für die Deportationen in die Vernichtungslager zusammen. Gill’s Sohn musste später in einem Arbeitslager der Organisation Todt Zwangsarbeit für Bauprojekte Speers leisten.

Alle Kriminalpolizisten mussten sich am 21.04.1945 absetzen(?). Fritz Schaffner landete aber am 12.07.1945 im Freiburger Gefängnis. Am 19.10.1945 wurde er vernommen und sofort freigelassen. Bei der Entnazifizierung wurde er als Mitläufer eingestuft aber zeit seines Lebens nicht mehr in den Polizeidienst aufgenommen. Selbst mehrere Briefe seines Freundes Gustav Judas aus New York, konnten ihm dabei nicht helfen. Ein Verwandter von Gustav Judas, der als bekennender Kommunist in Basel überlebt hatte, saß in der Entnazifizierungsbehörde. Gustav Judas starb 1951 mit 65 Jahren an einem Herzleiden. Die Ermordung von über 40 Verwandten im Holocaust belastete ihn sehr. Fritz Schaffner starb 1962 im Alter von 74 Jahren.

Die Nachkommen beider Familien haben bis heute Kontakt. Ein entscheidender Impuls dafür ging von der Erinnerungsarbeit der Geschichtswerkstatt der Lessingschule aus. Sie organisierte zum Andenken an Rosa Regina Bloch und Jette Judas zwei Stolpersteine in der Starkenstraße 39. Dies hatte 2003 den ersten Besuch der Überlebenden und deren Nachkommen aus den USA und aus Spanien zur Folge. Zwölf Mitglieder der geretteten Familie aus drei Generationen sowie Tochter und Enkelin des Stillen Helden Fritz Schaffner besuchten die Stolpersteine der Großmütter. Vor dem Haus in der Starkenstraße 39 sprach Carl Jaburg zum ersten Mal zu seinen Kindern und Enkeln über den schweren Abschied von den Großmüttern. Vor einer Klasse las er zum ersten Mal aus seinem Tagebuch vor, das er als 15-Jähriger vor der Flucht geschrieben hatte.

Die Baumpflanzung für Stille Helden im November 2016 hat die Nachkommen noch einmal näher gebracht, sodass es Anfang März 2017 ein Nachkommen Treffen in Freiburg und Berlin geben wird. Enkel und Urenkel von Gustav Judas, Fritz Schaffner und Alfred Gill werden dabei sein. Zunächst in Freiburg, Emmendingen und Ihringen, dann aber in Berlin, denn da interessiert sich die Gedenkstätte Stille Helden sehr für diese außergewöhnliche Rettungsgeschichte und wird helfen, weiter viele Details zu klären!

Text: Katja Schwab und Rosita Dienst-Demuth

Weitere Infos zu Fritz Schaffner in:
Kügele, Ursula: Retter und Gerettete – zwei Lebensläufe,  Wie Fritz Schaffner seinen Freund Gustav Judas vor der Deportation rettete, im Freiburger Almanach, Freiburg, 2011, Seite 43 - 49.