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Emilia Koch, Enkelin der Stillen Heldin Agathe Burgert aus Bollschweil, vor dem Wohnhaus der Familie Heilbrunner auf dem jüdischen Friedhof in Freiburg.

Nelly Heilbrunner - zwei Stille Heldinnen retteten ihr das Leben

BUNDESWEITER WETTBEWERB: ERINNERUNG SICHTBAR MACHEN - 80 JAHRE REICHSPOGRONMNACHT, Wettbewerbsbeitrag der Schülerguppe Klasse 8a der Lessing-Realschule Freiburg

‚Meine Ururoma hat in der Nazizeit jüdische Kinder in Bollschweil versteckt und gerettet‘, verriet der Schüler Pius Koch im Januar 2017 der Klasse 6a in der Lessing-Realschule Freiburg. Bald war klar, dass es sich um die ehemalige jüdische Schülerin der Zwangsschule Nelly Heilbrunner (1926 - 2002) und Teile ihrer Familie handelte. Die gebürtige Freiburgerin musste mit ihren beiden jüngeren Brüdern Rolf (ca. 1924-1997) und Max (ca. 1924??-2012) und mit ihren Eltern Oskar und Emma Heilbrunner im Dezember 1944 von der Elsässerstraße 57 nach Bollschweil fliehen. Sie wohnten damals im Verwaltungsgebäude des jüdischen Friedhofes, dessen Verwaltung der Vater 1939 übernehmen konnte, nachdem sein Schrotthandel-Unternehmen ‚arisiert’ worden war. Das Haus war in der Bombennacht in Freiburg am 27.11.1944 zerstört worden. Viele Juden Freiburgs waren schon ins Exil gegangen oder wurden in Lager deportiert und kamen dort ums Leben. So lebten nur noch wenige Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens in Freiburg – meist geschützt durch eine sogenannte ‚privilegierte Mischehe’. Unter diesen Bedingungen Wohnraum zu finden, war undenkbar. Bis zur Flucht nach Bollschweil lebte die Familie Heilbrunner deshalb notdürftig auf dem jüdischen Friedhof zwischen den Grabsteinen. Es fand sich ein außergewöhnliches Versteck bei Agathe Burgert in Bollschweil.

 

Beim erstmaligen Treffen 2018 zwischen Nachkommen der geretteten Familie und der Retterfamilie entstanden eindrucksvolle Tondokumente (siehe www.future-history.eu, Block, Wettbewerb ERINNERUNG SICHTBAR MACHEN-80Jahre Reichspogromnacht). Sie machen deutlich, wie wichtig die heutige Aufarbeitung der Untaten in der Zeit des Nationalsozialismus ist, und sie führen die gegenwärtige ‚Schlussstrich-Diskussion‘ ad absurdum.

Weil Nelly Heilbrunner so verschlossen war, hat sich Anna Beck, Schülerin der Geschichtswerkstatt in Comic-Zeichnungen vorgestellt, wie Nelly sich wohl in verschiedenen Phasen der Verfolgung und Ausgrenzung gefühlt haben mag. Die Comic-Blätter werden im November in der Gertrud Luckner Gewerbeschule Teil der Ausstellung sein.

COMIC-Blätter: NELLY – EIN JÜDISCHES MÄDCHEN AUS FREIBURG

-       Nelly wird verbannt in die Zwangsschule für jüdische Kinder an der Lessingschule

-       Hilfe! - Die Synagoge brennt!

-       Nach dem 22. Oktober 1940: Ich darf nicht mehr zur Schule gehen – schrecklich!

-       Alle jüdischen Freunde sind verschwunden – eine christlich getaufte Freundin bleibt treu – welch ein Glück!

-       1943 Das ‚J’ auf den Lebensmittelmarken bedeutet für Juden und sogenannte ‚Mischlinge’ deutlich weniger Kalorien - Maria Hartmann hilft. 4)

-       Bombennacht und Flucht nach Bollschweil auf den Bauernhof von Agathe und Albert Burgert

-       Im Versteck in Bollschweil

 

 

 

NACHTRAG:                                                                                                                   

Die „Stillen Heldinnen“ Maria Hartmann und Agathe Burgert widerlegen die nachträgliche Schutzbehauptung vieler, dass man als Einzelner nichts gegen die mörderische Politik des Nazi-Regimes habe ausrichten können. Die Beispiele zeigen, dass allein das individuelle, persönliche Verhalten zählte. 4)

 

 

 

1)    Wolfram Wette (Hg) Stille Helden – Judenretter im Dreiländereck während des Zweiten Weltkriegs, Seite 115, Bild Privatbesitz

 

2)    Die Gedenkstätte Stille Helden, Berlin, nimmt diese Retter-Geschichte aufgrund der Recherchen der Geschichtswerkstatt in ihr Archiv auf.

 

3)    Wolfram Wette, ebenda, Seite 113

 

4)    Wolfram Wette, ebenda, Seite 114

 

 

Erarbeitet im Rahmen des Wettbewerbs ‚ERINNERUNG SICHTBAR MACHEN – 80 Jahre Reichspogromnacht‘ von Laura Asal, Anna Beck, Jakob Brogle, Pius Koch, Liam Neidhardt, Klasse 7a, Geschichtswerkstatt der Lessing-Realschule Freiburg. Emilia Koch, 10. Klasse, St. Ursula Gymnasium Freiburg. Projektleitung Jessica Mack und Rosita Dienst-Demuth.

Fotos: Privatbesitz Ruth Beck, Privatbesitz der Nachkommen von Nelly Heilbrunner, Privatbesitz Wiltrude Hene Lavelle, Privatbesitz Familie Hartmann, Rosita Dienst-Demuth 2018