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Alice Dreifuss-Goldstein besucht uns mit Tochter, Enkelin und Urenkel

VIELEN HERZLICHEN DANK dem ANTISEMITISMUSBÜRO für die Übernahme der Honorarkosten – und Dank all denen, die mit der Organisation der Einladung einer der letzten Zeitzeugin viel Mühe und Arbeit mit viel Engagement und Freude auf sich genommen haben.                                                                       

Rosita Dienst-Demuth und Jessica Mack                                                   

Fotos  R. Dienst-Demuth

ENGEL DER KULTUREN, EMMENDINGEN

Zwei Tage mit Alice Dreifuss Goldstein

20./21.Oktober 2019

Das Haus der Großeltern Valfer in der Rathausgasse 6 in Freiburg – Stolperstein für den Onkel Siegfried Maier. Bei Oma und Opa hat die kleine Alice gewohnt, als sie in der Lessingschule die Zwangsschule für jüdische Kinder besuchte. Für Alice und Tochter Brenda sehr beklemmend. Oma und Opa wurden nach Gurs deportiert und starben in Auschwitz 1944. Sie hatten das Visum in die USA und kamen aus Südfrankreich einfach nicht weg.

Beim Sukka Hock – Laubhüttenfest – mit der liberalen jüdischen Gemeinde Freiburgs CHAWURA GESCHER haben wir uns sehr wohl gefühlt. Singen – Beten – Essen, Trinken, Unterhalten – Feiern.

Trauern auf dem jüdischen Friedhof in Emmendingen, wo auch die Kenzinger Juden beerdigt wurden. Der Grabstein für Verwandte nennt auch eine Ermordete in Theresienstadt.

Rosita Dienst-Demuth, Alice Dreifuss-Goldstein, Tochter Brenda Goldstein, Carola Grasse, Jüdisches Museum Emmendingen (von links nach rechts).

 

 

 

Im Vorfeld der Zeitzeugenbegegnung stand Alice Dreifuss Goldstein Frau Röder von RADIO DREYECKLAND und zusätzlich der UNI-Studentin Melissa Maggiore zu Kurz- Interviews zur Verfügung. Wir freuen uns auf den Radiobeitrag. Wir sind sehr gespannt auf das Seminar-Projekt der Universität Freiburg Hörstationen zum Thema JUDEN IN FREIBURG. Dies ist ein Beitrag, eine besondere Stadtführung zum Jubiläumsjahr 900 JAHRE FREIBURG.

Zeitzeugenvortrag in der Lessing-Realschule. Alice spricht vor drei Klassen. 7a, 9a, Lessing-Realschule und Klasse 10, die mit Frau Bohmann und Annette Geers aus der St. Ursula Mädchen Realschule eigens wegen des Vortrages zu Besuch kamen.

Zunächst wurde eine Kerze angezündet für Alice’s im Holocaust ermordeten Großeltern und Verwandten. Die Kerze brannte aber auch im Gedenken an die beiden Mordopfer in Halle beim versuchten Terroranschlag auf die Synagoge von Halle – am Versöhnungsfest Yom Kipur.

 

Vor dem Vortrag gedachten wir in einer

GEDENKMINUTE den damaligen und heutigen Opfern des

Antisemitismus und Rassismus.

Die SchülerInnen und Schüler waren gut vorbereitet und lauschten konzentriert dem 40-minütigen Vortrag von Alice. Beeindruckt waren sie darüber, dass sie extra aus den USA mit Tochter Brenda Goldstein angereist kam, um mit SchülerInnen über ihr Familiengeschichte zu sprechen. Selbst die Enkelin Allison Brenda kam zum Zeitzeugenvortrag mit ihrem 7-monatigen Isaak aus Genf angereist.

Niclas Dreier filmte den Vortrag für das Archiv!

An der Diskussion gab es von Seiten der SchülerInnen viele Fragen.

Etliche SchülerInnen meldeten sich auch auf die Frage von der Diskussionsleiterin Rosita Dienst-Demuth:

„Wer von Euch spricht zu Hause eine andere Sprache als Deutsch?“ 

Der vielfältige Migrations-Hintergrund der Klassen wurde deutlich: SchülerInnen, deren Eltern aus Kasachstan, Russland, Kroation, Afrika, … kamen. Ein Junge berichtete als Flüchtling aus Syrien.

 

Zum Abschluss ließen sich 11 der ca. 75 SchülerInnen motivieren einen Brief an Alice Dreifuss Goldstein zu schreiben.

Siehe Anhang.

 

Nach einer Pause in Oberrotweil besuchten wir ein außergewöhnliches Konzert in Breisach zum Gedenken an die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden. Hervorragende Musiker spielten jüdische Komponisten, die teilweise im Holocaust starben. Siehe blaueshausbreisach.de

 

Schülerbriefe an Alice Dreifuss-Goldstein

2004 - Rede bei der Einweihung der Gedenktafel

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Direktor, sehr geehrte Lehrer, Schüler, ehemalige Schüler und Freunde!  

 

Es mir eine große Ehre zu diesem wichtigen Anlass eingeladen worden zu sein und ich freue mich sehr bei den heutigen Festlichkeiten teilnehmen zu können.  Ich komme mit sehr gemischten Gefühlen und starken Emotionen.  Meine Erinnerungen an die Zeit, in der meine Familie und ich unter dem Nazi Regime lebten, sowie meine 2 Jahre in der Jüdischen Schule in Freiburg, bildeten einen dunklen und erschreckenden Hintergrund meines Lebens.  Lange Jahre vermied ich vollkommen alles, was mit Deutschland und Deutschem zu tun hat.  Weder meine Eltern noch ich sprachen über die ungeheuren Ereignisse, die wir von 1933 bis 1939 erlebten und mit ansehen mussten.

Erst seit etwa 15 Jahren habe ich mich  mit diesem frühen Lebensabschnitt konfrontiert und teile ihn mit anderen.  Und erst vor 2 Jahren fand ich mich im Stande, zurückzukehren dorthin, wo ich geboren bin und gelebt habe und hier nach Freiburg, wo die Eltern meiner Mutter gelebt haben und ich zur Schule ging.  Während jener Reise besichtigte ich die Lessingschule und lernte Rosita und einige ihrer Schüler kennen. 

Die Frage ist also, was mich schließlich dazu bewegte darüber zu sprechen und nach Deutschland zurückzukehren.  Mit der Zeit wurde mir bewusst, dass die Erlebnisse meiner Familie während der Anfangszeit der Nazis für uns alle, aber besonders für die jetzige Generation, eine wichtige Lektion sind.  Nämlich: Dass es notwendig ist den Wert jedes einzelnen Menschen anzuerkennen, die Bürgerrechte jedes Menschen zu beschützen, den Tätigkeiten jener, die eine Demokratie zerstören wollen, zu widerstehen und zu erkennen, dass wir alle die Macht besitzen Widerstand gegen Grausamkeit zu organisieren.  Diese Lektionen sind immer zeitgemäß und relevant.

Ich kehrte nach Deutschland zurück, weil ich zu der Einsicht kam, dass eine neue Generation hier die furchtbare Geschichte Deutschlands wirklich verstehen will und sich für die Rolle, die die Juden früher hier gespielt haben, interessiert.  Ich konnte zurückkommen und nicht mehr das Gefühl haben, dass ich bei jedem Menschen, dem ich begegnete, spekulieren würde “Was hast du in der Nazi-Zeit  gemacht?”  Ich kam auch zurück um so viel wie möglich über meine eigene Vergangenheit zu erfahren und meine Erinnerungen zu bestätigen.

Diese Woche markiert eine Fortsetzung aller Aspekte meines Denkens.  Das Zusammenkommen mit einigen meiner Mitschüler fügte meinen Erinnerungen eine weitere wichtige Dimension hinzu.  Ich bin dankbar, dass in der Lessingschule Lehrer unterrichten, die die Vergangenheit so unvoreingenommen angehen und großen Wert darauf legen, dass ihre Schüler verstehen, was geschehen ist.  Es freut mich, dass ich mit einigen dieser Schüler direkt sprechen kann.

Es ist erfreulich zu wissen, dass diese Gedenktafel nicht nur zur Mahnung dessen dient, was hier geschehen ist, sondern auch als Anregung, den Einzelnen als Menschen zu respektieren und zu beschützen ohne Rücksicht auf Rasse, Religion, Geschlecht oder Nationalität.  Ich danke Ihnen, dass sie diesen wichtigen Schritt unternommen haben und dass sie mir ermöglicht haben Teilnehmerin zu sein bei der Widmung.